Jetzt ist ja wieder die Zeit der Geschenke.
Wie jedes Jahr stellt sich für viele die Frage, was schenke ich wem zu Weihnachten (und wer kein Weihnachten feiert, eben zu Jul oder Sonnwende oder wasauchimmer...).
Es gibt ja sehr viele Theorien, woher das Schenken kommt.
Im Christentum ist es das Geschenk Gottes/Jesus, der sich der Menschheit schenkt.
In einer meiner Online-Business-Gruppen gab es eine Woche lang das Thema Schenken. Hier aber mit dem Hintergrundgedanken, ich schenke dir etwas, was für dich nützlich ist (z. B. eine Checkliste, ein PDF, o. ä.) und du gibst mir dafür deine Mailadresse und ich schicke dir in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen meine Rundmails (mache ich ja auch so. Irgendwoher müssen ja die KundInnen kommen ;-) ).
Der Leiter der Gruppe sah eben das Schenken immer mit dem Hintergrundgedanken: ich gebe dir etwas und irgendwann gibst du mir etwas anderes zurück.
Auch wird oft in prähistorisch-archäo-soziologischen Kreisen das Schenken als nicht uneigennützige Tat unserer AhnInnen betrachtet. Da kommt jemand (in dem Besipiel von dem ich neulich las, eine kleine Gruppe von Jägern) in eine (fremde) Sippengemeinschaft und bekommt von dieser Essen und Dinge, die diese kleine Jägergruppe fürs Überleben gerade braucht. Allerdings (so die Archäo-Soziologen) mit dem Hintergedanken, dass Gleiches im Gegenzug irgendwann einmal vergolten wird. Auch, um freundschftliche Bande zu knüpfen oder zu festigen.
Aber all das ist wieder durch die androzentrisch-patriarchale Brille betrachtet.
Wo kommt nun das wahre, wirkliche, bedingungslose Schenken her und was hat es mit unseren matrifokalen Ursprüngen und Wurzeln zu tun?
Das Erste, was eine Mensch bekommt, wenn sie oder er auf die Welt kommt, ist das Geschenk der Muttermilch, von der Liebe der Mutter mal ganz abgesehen. Aber es geht mir in diesem Artikel um das Materielle, die Dinge, die uns am Leben halten.
Jede Mutter, die es technisch kann, schenkt ihrem Kind im Normalfall bis zu 3 Jahren (oder auch länger) ihre Milch. Kann sie das nicht, dann übernimmt eine nahe Verwandte oder Nährmutter diese Versorgung. Oft tauschen sich die Mütter auch aus.*
Seit einigen Jahren gibt es die Bewegung "Maternal Gift Economy", in der sich hauptsächlich Frauen aus der ganzen Welt mit verschiedensten Hintergründen und Herkünften organisieren, um eine andere, gesunde, für alle wohlwollende Wirtschaftsweise zu schaffen. Einen Gegenentwurf zum patriarchalen, neoliberalen, ausbeuterischen Kapitalismus sozusagen. Um der Ausbeutung von Mutter Erde und der weiblichen Arbeitskraft einen Gegenentwurf entgegen zu stellen.
Die MGE beruft sich mehrheitlich auf die Wirtschaftsweisen indigener Völker, die grundsätzlich eine Schenk-Ökonomie unter matriarchal-matrifokaler Federführung sieht. Nicht die Person, die am meisten besitzt ist die angesehenste, sondern die Person, die am großzügigsten gibt. Dieser Person oder dieser Sippe gebührt dann der höchste Ruhm, die höchste Ehre.
Und diese mütterliche Schenkökonomie war die "Wirtschaftsweise" bevor der Kapitalismus entstand.
Lass uns einen Zeitsprung zurück in die Vergangenheit machen. So ca. 20.000 Jahre, das reicht.
Wir befinden uns im Donautal, bzw. an dessen steilen Hängen, die die reißenden Flüsse Ach, Urspring und Blau schon in früheren Eiszeiten in die Landschaft graviert haben. Du kannst dir aber auch eine Landschaft in Mittelfrankreich oder an den Hängen der Pyrenäen aussuchen.
Sommers wie Winters ziehen unendlich große Herden von Wildrindern, Rentieren, Wildpferden und Mammuts über die flachen Höhen der schwäbischen Alb. In den Steilhängen tummeln sich Steinziegen, in den Bächen und Flüssen Lachse, Forellen und andere Fische. Am Boden brüten zehntausende von Gänsen, Wachteln, Fasanen und Enten. Wilde Wurzeln, Grassamen, Kräuter, Beeren und Nüsse vervollständigen den Speiseplan.
Du musst nur aus dem Lager gehen und findest Nahrung zuhauf. Frei Haus sozusagen. Unendliche Fülle, immer zum Greifen nah. Wie eine Mutter, die ihr Kind nährt. Mit großen, milchvollen Brüsten, dicken, speckigen Schenkeln und Bauch. Weich, warm und nährend. Immer für dich da (wie die Ur-Mutter von Lespugue im Beitragsbild).
Du siehst dein gesamtes Umfeld - Menschen, Tiere, Pflanzen, selbst die Landschaft in der du dich befindest - als mütterlich-nährend, als Einheit, in der du ein winziger Teil des Ganzen bist, der ohne dich unvollständig wäre. Alles ist (d)eine Mutter. Alles wird dir bedingungslos geschenkt.
Die Ältesten der Sippe "verwalten" alle Dinge, Nahrung, Kleidung, Werkzeuge. Jede/r bekommt das was er oder sie gerade braucht. Ist viel vorhanden, gibt es für alle reichlich, ist weniger vorhanden bekommen die, die am Nötigsten brauchen (Mütter und ihre Kinder) mehr, die anderen etwas weniger.
Auch sehe ich die Bedeutung von Grabbeigaben mindestens bis zum Ende des Neolithikums anders, als die gängige Archäologie. Denn die ArchäologInnen gehen von der Annahme aus: viel Besitz/Grabbeigabe = hoher Rang/Fürst/Sippenführer/wichtige Person schon zu Lebzeiten.
Ich sehe die Grabbeigaben als Geschenke an den oder die VerstorbeneN, weil diese Person in der Sippe geliebt wurde als die Person die sie oder er war. Nicht höher, besser oder mächtiger, sondern ein Kind (egal wie alt) der Sippe, welches von den Müttern, Schwestern, Brüdern und Kindern geliebt wurde. Das fällt zumindest bei den Grabbeigaben von verstorbenen Kindern in Russland auf (Link - wir übersehen mal großzügig die hypothetischen, modernen Schlussfolgerungen, dass es sich hier um Menschenopfer und/oder um Abgrenzungen zu "Feinden" handeln könnte).
Was unterscheidet nun das (bedingungslos-mütterliche) Schenken vom Kapitalismus?
Das Schenken, bzw. die mütterliche Schenkökonomie beutet weder Mutter Natur noch die Mitmenschen aus. Was zuviel ist, übrig ist, wir an alle gleichermaßen verteilt. So ist gewährleistet, dass jedeR ausreichend und genug zum Überleben hat. Es wird aber auch kein überbordender Wohlstand angestrebt, s. o. Das Glück der ganzen Sippe steht höher als der materielle Wohlstand einzelner.
Im Kapitalismus wird Mutter Natur bedingungs-gnadenlos ausgebeutet, um ihre Güter zu sammeln, zu horten und gegen Güter zu tauschen, die jemand anderes gesammelt hat. Der persönliche, materielle Wohlstand steht höher als das Glück (wobei Glück oft mit materiellem Wohlstand gleich gesetzt wird).
Ich brauche hier nicht zu erwähnen, dass uns diese Art des Wirtschaftens an den Rand der (menschlichen) Existenz gebracht hat.
Das Schenken liegt tief verwurzelt in unserer Natur.
Wir müssen es ausdrücklich verlernen, um in der kapitalistischen Welt nach ihren Regeln zu leben. Wir fühlen uns mittlerweile oft unwohl, wenn wir etwas einfach so geschenkt bekommen, ohne dafür etwas geleistet oder einen Grund geliefert zu haben.
Aber, wenn wir selber schenken, tun wir das oft ohne Hintergedanken, einfach, weil wir diesen Menschen, diese Person, lieben und schätzen und ihr in diesem Augenblick etwas Gutes tun wollen.
Dies soll eine Anregung zum Nachdenken in dieser Jahreszeit des "Großen Schenkens" sein, wie du selber zum Schenken und Beschenktwerden stehst.
Siehst du das Schenken als Tauschhandel? Oder schenkst du Bedingungslos?
*Ich spreche hier vom matrifokalen Normalzustand, nicht von den patriarchösen Umständen, in denen Mütter und ihre Kinder heute gezwungen werden, leben zu müssen.
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