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Über den "männlichen" Teil in der Frau

Seit einiger Zeit kommen mir immer wieder die Aussagen unter, dass Frauen "ihren männlichen Teil integrieren müssen", um Heil und Ganz zu werden und dass das Männliche und Weibliche im Gleichgewicht sein müssen. Ganz besonders treffen Menschen diese Aussage, die spirituell interessiert und engagiert sind.

 

Doch, woher kommt diese Aussage überhaupt und wer sagt das denn?

 

"Erfunden" - oder besser entdeckt - hat das Carl Gustav Jung, ein Schüler Sigmund Freuds.

 

Er erkannte nämlich, dass Männer sehr wohl einen weiblichen Teil haben. Diesen nannte er "Anima" - von "ani" - vor und "ma" -  Mutter. Und nur ein Mann, der seine Anima erkannt und integriert hat, kann ein "ganzer und heiler" Mann sein, frei von unreflektierter Gewalt, frei von Herrschaftsansprüchen und frei von Minderwertigkeitsgefühlen.

Und daraus schlussfolgerte Herr Jung, dass spiegelbildlich bei Frauen eben auch ein seelisch-männlicher Teil - der Animus - enthalten sein muss.

 

Dröseln wir das Ganze doch einfach mal auf:

 

Jung, ganz Kind seiner Zeit, kann sich keine "vaterlose" Zeit vorstellen (wie das Matrifokal im Paläolithikum und bis ins Neolithikum), daher sieht er natürlich den Animus "einem väterlichen Logos" entspringend und interpretiert "männliches Verhalten" bei Frauen als Projektion ihres Animus. Mag vielleicht insofern richtig sein, dass Frauen in den letzten 3000 Jahren durch und durch patriarchal sozialisiert wurden und sind. Und sich somit "männliche" Verhaltensweisen aneignen (mussten), um überhaupt zu überleben.

 

Ja - Männer haben tatsächlich einen weiblichen Anteil an und in sich, denn ganz zu Beginn ihrer Entstehung im Mutterleib sind alle Föten zwar neutral, aber grundsätzlich ist das weibliche Geschlecht das Originäre. Erst ab der 5. - 6. Schwangerschaftswoche entscheidet der mütterliche Organismus mithilfe des halben haploiden Chromosomensatz des "Genitors" (ein Vater ist da noch lange nicht vorgesehen), welches Geschlecht das werdende Kind bekommt. Ist alles optimal vorbereitet und das Testosteron kann anfangen zu arbeiten, dann entsteht ein Junge.

Stimmt irgendwas nicht, gibt es Komplikationen in den ersten Wochen, wird es ein Mädchen oder ein Spontanabort.

 

Aber, wo und wie soll eine Frau einen männlichen Teil haben?

 

Wenn eine Frau aggressiv auf Bedrohung reagiert? Zur Waffe greift? Sich breitbeinig in die U-Bahn setzt? Sich aktiv an Kriegen und/oder Eroberungen beteiligt?

 

Vielleicht sollten wir erst einmal "männliches" Verhalten analysieren:

 

geistig-logisches Analysieren, Gewaltanwendung, Dominanzverhalten, Aggressivität - das sind wohl Eigenschaften, die wir als typisch männlich definieren. Doch diese Eigenschaften sind erst im Patriarchat entstanden.

 

Und wie ist ein Mann, der nicht patriarchaisiert ist? Indigene Männer z. B.?

 

Er ist ein Beschützer und Bewahrer, der aber auch aggressive Züge zeigen kann, z. B. auf der Jagd und eben beim Beschützen seiner Lieben und seiner Umwelt. Aber es ist eben keine patriarchale Aggressivität mit einer destruktiven Logik, die Zerstören und Vernichten will (und muss).

 

Was ist denn dann nun tasächlich das (projizierte) "männliche" Verhalten bei Frauen?

 

Grundsätzlich ist es einfach ihr Beschützerinstinkt. Die Nachkommen vor Gefahren zu schützen. Dafür kann eine Mutter schon recht grausam werden. Nicht umsonst heißt es, "sie kämpft um ihre Kinder wie eine Löwin um ihre Jungen".

 

Und, müssen wir Frauen nun einen (wie auch immer gearteten) "männlichen" Anteil in uns integrieren, weil (neu-esoterisch) "beide Teile im Gleichgewicht" sein sollen?

 

Wenn wir erkennen und akzeptieren, dass das "Anima-Animus"-Prinzip C.G.Jungs ein Konzept eines Mannes aus, in und für patriarchalen Strukturen ist, können wir auch erkennen, dass wir als bereits vollkommene, weibliche Wesen es weder nötig haben noch brauchen, irgend etwas Männliches zu integrieren.

Es ist patriachales (esoterisches) Wunschdenken, dass alle Frauen erst dann "glücklich und ganz" seien, wenn sie ihren männlichen Anteil in ihrer Seele integriert haben. Mal ehrlich - es gibt schon genügend Frauen auf Mutter Erde, die so sehr ihren "männlichen Teil" integriert haben, dass sie selbst zur Gefahr für den Fortbestand allen Lebens auf diesem Planeten geworden sind.

 

Alle Eigenschaften, die wir für unser Überleben und das unserer Nachkommen benötigen, sind in uns als Frau schon angelegt und müssen nicht patriachal "optimiert" werden. Als Frau habe ich mein weiblich-logisches Urteilsvermögen, meine Kämpferkraft und Leidenschaft für den Schutz dessen, was mir wichtig ist (siehe aktuell die vielen Frauen weltweit, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen - und besonders von indigenen Männern unterstützt werden).

 

Worin aber C.G.Jung recht hatte, ist, dass alle Männer (zumindest die "zivilisierten") ihre Anima erkennen und integrieren müssen. Durch die fehlende Hingabe, Leidenschaft und den Beschützerinstinkt für die Lieben, die Natur und die Umwelt ist der "Animus" aktuell dabei, in logischer Konsequenz und mit brutaler Grausamkeit alles Leben auf diesem Planeten, unser aller Mutter Erde, auzulöschen.

 

Eher ist es so, dass die meisten Männer ihre "weibliche Seite" integrieren und ins Gleichgewicht bringen müssen. Zum Glück gibt es schon ein paar positive Beispiele, die das geschafft haben.

 

Und, Schwester, willst du wirklich daran Teil haben, nur, weil esoterische Schwurbler dir einflüstern, du müsstest nur deinen "männlichen" Teil integrieren und ins Gleichgewicht bringen? Willst du nicht lieber deine weiblichen Stärken einsetzen, zum Schutz von Mutter Erde und aller Lebewesen darauf?

 

Sei wie die Löwin, die für ihre Jungen kämpft!

 

P. S. Besonders auf der Schwäbischen Alb wurden im Magdalénien die "Löwenmenschen" aus Mammutelfenbein geschnitzt. Siehe meine Blogbeiträge über die Höhlen auf der Schwäbischen Alb. Hier lesen!

 

Mehr zu den weiblichen Archetypen findest du hier!

Und zu den männlichen Archetypen diesen Blogartikel!

 

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Kommentare: 3
  • #3

    angelika (Samstag, 05 November 2022 05:03)

    Warum wird den nicht einfach gesagt , daß Weib ALLES in sich trägt und gar nichts integrieren muss ...

    Demnach beginnen alle MENSCHEN ihr Leben als Frau ....
    Entgegen der biblischen Schöpfungsgeschichte ist das weibliche Geschlecht das ursprüngliche ... ��� https://scontent-muc2-1.xx.fbcdn.net/v/t39.30808-6/287253228_5277645892316122_7242208150267442667_n.jpg?_nc_cat=111&ccb=1-7&_nc_sid=730e14&_nc_ohc=72Ky7cfr07UAX9GhI7O&_nc_ht=scontent-muc2-1.xx&oh=00_AfCrhQMW4yPLLaD8mT5zif7OCQE7dfNNmpJrB7r_vUoy-A&oe=636AEC2E

  • #2

    Tina (Donnerstag, 30 Juni 2022 19:30)

    Wundervoll und so wahr! Super!

  • #1

    Ruth (Donnerstag, 30 Juni 2022 11:07)

    In 57 Jahren wurden mir schon viele Theorien über meine Identität als Frau, als Mensch präsentiert... Es langweiligt mich langsam und dass alle moderneren Theorien, die alten als Unfug oder in moderner Sprachsch{pfung als Dummfug bezeichnen macht es auch nicht besser.